Es gibt bestimmt ganz verschiedene Arten von Mut und was für den einen eine wahre Mutprobe ist, ist für den anderen vielleicht ein Kinderspiel…
… aber – ich finde, dass Mut ein Thema ist, das gerade im Zusammenleben mit Tieren immer wieder eine große Rolle spielt. Deshalb möchte ich ein paar meiner Gedanken dazu einmal mit euch teilen.
Wie komme ich überhaupt darauf?
Durch ein Erlebnis mit Donar, das ich gestern hatte. Wir waren nämlich ausreiten. Klingt erst einmal nicht so wahnsinnig mutig, oder? 😉 Es war auch gar nicht sonderlich spektakulär, aber trotzdem hat es mich ein bisschen Überwindung gekostet. Und um zu erklären, warum das so war, muss ich ein bisschen ausholen…
Wer mich kennt weiß, dass ich ein Mensch bin, dem Sicherheit und Kontrolle sehr wichtig sind. Ich möchte nicht nur auf dem Pferd „die Zügel in der Hand haben“ , also entscheiden, was ich wann, wie oft/ schnell/ intensiv/… tue. Ich fahre am liebsten selbst, wäre denkbar ungeeignet für eine WG, bin von meinen Ansichten überzeugt und brauche meinen eigenen Rhythmus, damit ich mich wohlfühle und entspannen kann. Um nur ein paar Aspekte zu nennen. Ich habe außerdem ein sehr gutes und aktives Vorstellungsvermögen, das mich einerseits kreativ und einfühlsam sein lässt, andererseits aber auch gerne ungefragt negatives Kopfkino abspielt, das dann dafür sorgt, dass ich mir die schlimmstmöglichen Szenarien vorstelle, die aus einer Situation resultieren können. Ich bin also nicht unbedingt wagemutig, aber neugierig und schöpfe Vertrauen durch Situationen und Begegnungen, die doch positiv verlaufen, obwohl ich mir das anders vorgestellt hatte.
Ich arbeite an mir, weil ich nicht möchte, dass übermäßige Vorsicht mich lähmt – obwohl ich natürlich weiß, dass Angst ein natürlicher Schutzinstinkt und damit sehr wichtig ist! Ich will ihr auch nicht entgegenwirken, weil sie in den meisten Fällen durchaus berechtigt ist, aber ich möchte meine inneren Bilder, mein Kopfkino, positiv beeinflussen, damit sich durch solche Erfahrungen meine Erwartungshaltung und meine Herangehensweise ändern, ich also nicht unbedingt mutiger, aber vertrauensvoller und positiver werde. Und heute habe ich wieder einen Schritt in diese Richtung machen können. ❤
Wie gesagt, ich war mit Donar ausreiten, was an sich nichts Besonderes ist, weil wir das mehrfach pro Woche machen. Es ist auch in 95% unheimlich entspannend, wohltuend und erholsam für uns beide, denn Donar ist (neben seinen anderen Qualitäten) eins der gelassensten und bravsten Pferde bei uns im Stall. Allerdings ist er im wahrsten Sinne des Wortes ein Gewohnheitstier – ebenso wie ich – und deshalb gehen wir immer dieselbe Runde und das im Prinzip schon seit einem Jahr.
Woran liegt das?
Für dieses eingefahrene Verhalten gibt es mehrere Gründe:
- Wie oben beschrieben ist Donar ein absolutes Verlasspferd – solange er sich in seinem gewohnten Umfeld bewegt. Sobald er an einer Kreuzung in eine andere Richtung abbiegen soll als sonst (so wie heute) sind die Alarmglocken an. Er ist dann immer noch ruhig, buckelt nicht, steigt nicht, geht nicht durch – ist aber sehr viel angespannter und deshalb auch nervöser. Mehr nicht… Ich weiß, dass ich ihm mit meinem misstrauischen Verhalten Unrecht tue, aber ich bin in Vertrauensangelegenheiten leider sehr nachtragend: mir fehlt es nicht an Vertrauen zu ihm, ganz im Gegenteil, aber ich möchte auch nichts riskieren, das dieses Vertrauen irgendwie erschüttern könnte. Deshalb bin ich lieber extra vorsichtig und tue nichts, bei dem ich mir nicht absolut sicher bin. Ich sagte ja, ich bin nicht gerade wagemutig.
- Besagte Runde, die wir immer gehen, besteht komplett aus befestigten Wegen und dauert nur 30 Minuten, deshalb ist sie für das ganze Jahr geeignet und das auch mal nur zwischendurch. Alle anderen Runden, die nicht allzu lang sind, beinhalten mindestens ein Stück unbefestigten Weg, sind also bei nasser Bodenbeschaffenheit und im Winter tabu, weshalb man doch immer wieder auf die altbewährte Runde ausweicht, die noch dazu so schön entspannt ist… 😉
- Unser letzter Sommer war durch Donars Kolik-OP im April 2017 extrem kurz. Er konnte im Mai nicht mit den anderen Pferden angeweidet werden und kam erst im August dazu. Dann war er erst einmal mit der Herdendynamik und mit dem behutsamen Trainingsaufbau beschäftigt, sodass uns die Zeit und die Energie für „mutige“ neue Runden fehlte. Ich wollte es erst einmal nur solide und sicher.
Kopfkino
So, und heute sind wir doch tatsächlich in eine andere Richtung abgebogen als sonst und Donar ist erst einmal unsicher stehengeblieben. Der Weg, der nun vor uns lag, war ein steiler Grasweg, den wir vor zwei Jahren auch schon hochgalloppiert sind und in meinem Kopf spielte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen folgender Film ab: „Was, wenn er gleich losrennt und buckelt? Was wenn ich runterfalle und mir den Kopf anschlage? Oder wenn er auf mich tritt? Was wenn er nebenan auf die steile Wiese rennt? Was wenn er wegläuft und sich dabei verletzt? Komme ich problemlos an mein Handy, um Hilfe zu holen? Findet mich jemand, wenn ich auf dem Boden liegenbleibe? Sieht man meine grüne Jacke im Gras überhaupt? Was, wenn ich mich danach nicht mehr traue aufzusteigen? Was, wenn ich es mein Leben lang bereue?“
Leider völlig übertrieben, aber meine natürliche Reaktion. Wenn ich dann jedoch meinen Verstand und mein Gefühl einschalte und die übertriebene Angst beiseite schieben kann, kann ich mir vorstellen, wie es eigentlich ablaufen soll: „Er geht ganz langsam im Schritt den Weg entlang. Ich spüre jede kleine Anspannung sofort. Die Zügel sind so kurz, dass ich jederzeit reagieren könnte. Ich klemme nicht und bin nicht zu angespannt. Wenn wir oben angekommen sind, werden wir beide hörbar ausatmen. Jeder Schritt schweißt uns mehr zusammen. Selbst wenn er losrennt, hat er nicht mal die Kondition, um bis nach oben zu kommen, geschweige denn auf diesem steilen Berg. Der Weg ist größtenteils links und rechts eingezäunt, er kann also gar nicht auf die Wiese rennen. Wenn wir diesen Weg bald wieder gehen, ist es schon weitaus weniger bedenklich, weil mein Vertrauen wächst.“
Und genauso war es schließlich auch. Alles war gut. 😀 Also, ich weiß, dass mein „Erlebnis“ für manch einen nicht einmal der Rede wert ist, aber für mich war es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Denn es geht mir nicht primär um die „Angst“, die ich in dieser speziellen Situation gespürt habe. Es geht mir vielmehr um das, was hinterher mit mir los wäre: ich hätte Angst davor, einen neuen Versuch zu wagen, die Hürde wäre zu groß, weil mein Vertrauen bereits „missbraucht“ worden wäre und ich nicht mutig genug wäre, darüber hinwegzusehen. Man lernt ja schließlich aus seinen Erfahrungen…
Und warum erzähle ich das alles?
Im Prinzip ist diese Geschichte nur ein Beispiel dafür, wie wir dank unserer Tiere immer wieder über uns hinauswachsen können. Sie machen uns zu besseren, verantwortungsvolleren, einfühlsameren, mutigeren Menschen. 🙂 Natürlich kann man auch in allen anderen Bereichen des Lebens über sich hinauswachsen und manch einer kann das vielleicht sogar besser, wenn es um Sport, Leistung, Ehrgeiz oder Geld geht. Für mich wäre allerdings keine dieser Motivationen hoch genug, um über mich hinauswachsen zu wollen und meine Komfortzone zu erweitern. Denn um nichts anderes geht es letzten Endes…
Dante und Donar sind nicht deshalb ein so großer Bestandteil meines Lebens, weil mir sonst langweilig wäre oder ich zu viel Freizeit habe. Sie helfen mir, mich persönlich weiterzuentwickeln und zu dem Menschen zu werden, der ich immer sein wollte. Durch unsere gemeinsamen Erlebnisse, durch die Lektionen, die sie mich lehren, durch ihre wundervolle Art, mich immer wieder zum Lachen zu bringen und durch ihre Liebe, die sie mir tausendfach zurückgeben. ❤
Es lohnt sich also mutig zu sein und den Horizont zu erweitern. Allein die Entscheidung, diese beiden in mein Leben zu lassen, war ja schon mutig! Und noch mehr Mut erfordert es, sich auf das Wesen dieser Tiere einzulassen, denn besser als jeder Mensch es könnte, zeigen sie einem schonungslos und grundehrlich, was sie von den gemeinsamen Unternehmungen halten, wenn man sich nur traut, ihnen genau zuzuhören und dann auch noch bereit ist, an sich zu arbeiten, um das gemeinsame Leben zu verschönern und noch intensiver genießen zu können.
Schonungslos ehrlich, ein wundervoller Beitrag von dir, Jana, und dabei sehr persönlich, auch das ist mutig, Hut ab. Und ich möchte Dir in vielen Aspekten beipflichten, es ist unglaublich, welche Entwicklungen wir selber durch unsere Tiere machen, quatsch, zu welchen Entwicklungen wir durch unsere Tiere befähigt werden. Danke für den mutigen und mutmachenden Beitrag. Liebe Grüße, Meggy
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Danke, liebe Meggy! Ich glaube, dass es ganz viele verschiedene Arten von Mut gibt, genauso wie man auf unterschiedlichste Art kreativ, klug, schön etc. sein kann. ❤ Wir sind eben alle ein Unikat und unsere Tiere helfen uns, das Beste an uns zu entdecken. 🙂
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