Wer meinen Beitrag „Über Bindung, Fehler und die Liebe“ bereits gelesen hat, dem wird hier in diesem Artikel vermutlich Einiges bekannt vorkommen. 😉 Das Training von Ruhe und Entspannung ist aus unserem Alltag mit Dante nicht wegzudenken und wurde von mir in diesem Beitrag bereits beleuchtet, aber da ich es so enorm wichtig finde und ehrlich glaube, dass auch andere Hundehalterinnen und Hundehalter von unseren Erfahrungen diesbezüglich profitieren können, möchte ich über dieses Thema hier noch einmal gesondert schreiben. ❤
Ein Aspekt der Hundeerziehung, mit dem ich mich vor Dantes Ankunft bei uns definitiv noch nicht auseinandergesetzt hatte, war das Ruhetraining – ja, richtig gelesen: Ruhe kann und muss man üben. 😉 Wie sehr insbesondere junge Hunde kleinen Kindern ähneln können, die müde und überdreht sind und dann nochmal so richtig aufdrehen, konnte ich mir nicht einmal ansatzweise vorstellen. Die meisten Hunde aus meinem Umfeld oder aus meiner Kindheit sind relativ entspannte Exemplare – sie „laufen im Alltag mit“, legen sich hin, wenn sie gerade nichts zu tun haben, dösen vor sich hin und verbringen den Tag quasi im Standby. Super, wenn das funktioniert, was will man mehr?
Ebenso wie Katzen sind Hunde Landraubtiere, die rund 18 Stunden des Tages mit Schlafen verbringen. Müssen! Denn ohne diese langen Phasen der Ruhe und Entspannung kann ein Hund all die Reize, die tagtäglich auf ihn einprasseln, gar nicht verarbeiten und man gelangt schnell in einen Teufelskreis aus Stress, Unausgeglichenheit, Überforderung und nicht zuletzt ernsthaften, gesundheitlichen Problemen.
Dass es allerdings Hunde gibt (und zwar viel mehr als man vielleicht denkt), die sich nicht von sich aus hinlegen, weil sie sonst etwas verpassen könnten, oder weil es ihnen schwer fällt abzuschalten und mit denen sinnvolles Training dann nicht möglich ist, weil sie völlig überreizt und gestresst sind und zu Impulsreaktionen neigen – das durfte ich schon sehr früh an Dantes Beispiel lernen. Er war ein unheimlich aktiver Welpe, nicht direkt hyperaktiv, aber schon recht nah dran. Und dann liest man, dass ein Hund dieses enorm hohe Schlafbedürfnis hat, Welpen sogar deutlich mehr, bis zu 22 Stunden täglich. Da kamen wir definitiv nicht dran und es stellte sich schon sehr bald die Frage: wie kann man ihm dabei helfen, Ruhe zu finden und all diesen Stress zu umgehen?
Über diese Fragen sind wir online schon bald auf die Hundetrainerin Sarah Both gestoßen, die auf ihrer Homepage bothshunde genau diese Thematik behandelt und mit einigen extrem hilfreichen Übungen, Tipps und Gedankengängen enorm dazu beigetragen hat, dass aus dem quirligen, aufgedrehten Dante ein inzwischen ruhiger, entspannter und ausgeglichener Hund geworden ist – und dass trotz seiner jungen 15 Monate und Pubertät. 😀 Natürlich hat auch er Tage oder Phasen, an denen es ihm nicht so leicht fällt, zu entspannen und in ungewohnter Umgebung lässt seine Haltung auch noch Einiges zu Wünschen übrig, aber insgesamt sind wir schon recht zufrieden. Weil ich davon überzeugt bin, dass ein solches Training Hund und Halter das Leben unter Umständen enorm erleichtern kann, möchte ich hier noch einmal ein paar unserer Puzzleteile vorstellen, die zusammen das Bild „Dantes Ruhetraining“ ergeben.
Ein geregelter Alltag
Routinen und klare Strukturen sind meiner Meinung nach die Basis für einen entspannten Alltag mit Hund. Wenn der Alltag aus dem Ruder läuft, weil gerade viel los ist oder sich Turbulenzen einfach nicht vermeiden lassen, dann kann es mit der Entspannung schon mal schwierig werden. Wir haben das immer mal wieder gemerkt, aber ganz besonders im Juni diesen Jahres als wir von unserer kleinen Wohnung in ein Haus mit Garten gezogen sind und plötzlich alles anders war. Der Umzug war aber auch der nötige Anstoß, um manche Routinen erst neu zu etablieren und inzwischen läuft unser Alltag ruhiger und geregelter denn je.
Jeden Morgen klingelt eine Stunde vor dem Aufstehen mein Wecker, woraufhin Dante zu uns ins Bett kommen und kuscheln darf. Um uns ein bisschen Privatsphäre zu erhalten, schläft Dante nachts in seinem eigenen Bett und stellt das inzwischen auch überhaupt nicht mehr in Frage, aber wenn er morgens zu uns kommen darf, beginnt der Tag direkt entspannt und friedlich.

Im Anschluss geht mein Mann eine Morgenrunde mit ihm. Die dauert nur 20 Minuten, ist immer dieselbe Strecke und dient lediglich zum Geschäfte machen. Den Versuch, eine solche Runde zu etablieren, haben wir schon öfter unternommen, haben uns allerdings durch Dantes Unlust und unser Mitleid mit ihm an kalten, nassen Tagen immer wieder davon abbringen lassen. Er ist nämlich ein kleiner Langschläfer und hasst Regen. Inzwischen ist die Runde aber etabliert, Dante ist mit seinen 15 Monaten mittlerweile auch recht hart im Nehmen und wir haben uns schnell an diesen Ablauf gewöhnt.
Danach gibt es Frühstück für alle, wir trinken Kaffee auf dem Sofa und Dante kuschelt sich für ein paar weitere Stündchen Schlaf unter einer Decke zu uns. Spät vormittags und spät nachmittags gehen wir jeweils ca. eine Stunde mit ihm raus, wobei wir uns um eine gesunde Mischung aus Routine und Abwechslung bemühen. Nach der zweiten großen Runde gibt es Abendessen und danach verbringt Dante den Großteil des Abends wiederum auf dem Sofa bis wir gegen 22Uhr ins Bett gehen.
„Leg dich mal hin“
Für die unruhigen Phasen zwischendurch, in denen sich viele andere Hunde einfach hinlegen würden, braucht Dante Unterstützung. Wir haben dafür das Entspannungssignal „Leg dich mal hin“ etabliert. Wir benutzen es immer dann, wenn Dante eigentlich müde ist, sich aber nicht so recht dazu durchringen kann, sich hinzulegen, weil er ja sonst etwas verpassen könnte, und wenn wir ihm vermitteln wollen, dass jetzt vorerst nichts Spannendes passiert und er sich ruhig eine Auszeit gönnen kann. Warum legen wir ihn dann nicht einfach ins Platz? Weil „Platz“ ein Signal ist, das ebenso wie „Sitz“, „Gib Pfote“, „Zurück“ etc. nichts mit Entspannung zu tun hat, sondern ein aktiver Teil des Trainings ist. Dante muss aber wissen, dass gerade eben NICHTS von ihm verlangt wird, damit er sich entspannt zurückzieht. 😉

Signalverstärker: Kuscheldecke und „Müde“
Das oben beschriebene Entspannungssignal kann man sehr gut mit zwei weiteren Signalen kombinieren: da Dante es liebt, in eine dicke Decke gekuschelt zu sein (auch im Sommer 🙂 ), haben wir von Anfang an seine Decke einladend hochgehoben, um ihm zu signalisieren, dass es darunter warm und bequem ist. Wenn wir heute auf dem Sofa sitzen, müssen wir meist nur einen Zipfel der Decke anheben und Dante legt sich sofort hin, wenn es ihm von seiner Verfassung her möglich ist.

Ein anderes sehr hilfreiches Signal ist „Müde“. Wir sagen dieses Wort leise und mit ruhiger Stimme, um Dantes Erregungslevel herunterzufahren. Er verbindet dieses Wort so sehr mit einem entspannten Zustand wie wir Menschen „Jingle Bells“ mit Weihnachten verbinden und wird beinahe augenblicklich ruhiger. Wenn wir also merken, dass er müde ist, sich nach „Leg dich mal hin“ aber noch nicht ganz dazu durchringen kann, sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen, reicht oft ein leises „Müde“, um ihm zur nötigen Entspannung zu verhelfen und er sucht sich einen Platz zum Schlafen.
Es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten: beispielsweise kann man auch immer dieselbe, ruhige Musik anmachen, die der Hund mit Entspannung verbindet, oder man konditioniert ein Halstuch mit einem bestimmten Duft als Entspannungssignal. Wie man diese Signale aufbaut, kann man auf Sarah Boths Webseite wunderbar nachlesen und ich lege sie wirklich jedem ans Herz, der sich und seinem Hund zu einem entspannteren Alltag verhelfen möchte.
Kurze, aber gehaltvolle Spaziergänge
Aufgrund von Dantes sportlicher Erscheinung werden wir sehr oft darauf angesprochen, dass er bestimmt eine Menge Auslauf braucht. Das sind in der Regel dieselben Menschen, die ihn entweder für einen Windhund oder einen Dobermann halten und unsere Antwort überrascht sie jedes Mal: Nein, braucht er nicht.

Natürlich kann man mit ihm stundenlang durch die Gegend laufen, viele Kilometer zurücklegen, jeden Tag drei Hundebegegnungen mit ausgedehnter Spieleinheit haben und dann auch noch jeden zweiten Tag zum Agility gehen – aber das wäre so ziemlich das Schlimmste, was man mit ihm machen könnte. Klar gehen wir mit ihm ausgedehnt wandern, z. B. in unserem Eifelurlaub oder an einem schönen, sonnigen Sonntag. Wir sorgen auch dafür, dass er regelmäßig mit seinen Hundefreunden spielen und rennen darf und wir fahren sogar mit ihm zum Agility. Allerdings nur einmal alle 1-2 Wochen für knapp eine Stunde – nicht mehr! Es geht uns nicht darum, Dante „auszupowern“, ihm unnötig Kondition anzutrainieren oder ihn überall mit hinzuschleifen. Er würde das sicherlich alles mitmachen, allerdings wäre sein Erregungslevel dann derart hoch, dass an Ruhe, Schlaf oder Impulskontrolle überhaupt nicht zu denken wäre, an ein sinnvolles Lernen und Verarbeiten der gesammelten Eindrücke schon gar nicht und es würde auch nicht lange dauern, da wäre es ein Muss täglich 4 Stunden mit ihm rauszugehen, weil er sonst vollkommen verrückt würde. Und das kann nicht das erwünschte Ziel sein.
Er hat sicherlich einen hohen Bewegungsdrang und dem soll und darf er auch gerecht werden. Aber in Maßen und mit Köpfchen. Wenn ein sehr ereignisreicher Tag hinter uns liegt, sorgen wir dafür, dass der nächste Tag umso entspannter abläuft und schaffen es trotz eher kurzer Spaziergänge dafür zu sorgen, dass Dante voll auf seine Kosten kommt. Auch hier ist die richtige Mischung wieder entscheidend. Er läuft in Wald und Feld fast ausschließlich frei, es sei denn uns kommt jemand entgegen (egal ob mit oder ohne Hund) oder es ist gerade viel Wild unterwegs. Dabei lassen wir ihn die meiste Zeit vollkommen in Ruhe, bestätigen aber jedes erwünschte Verhalten und trainieren somit ganz nebenbei. Beispielsweise belohnen wir jeden Aufenthalt bei und jede Rückorientierung zu uns durch Stimmlob, Lächeln, Leckerli, etc. Man spürt sehr schnell, was gerade als Belohnung gilt. Manchmal reicht eben ein kurzes „Fein“, manchmal holt Dante sich ein Leckerli ab, manchmal hat er einfach Lust, ein Stück weiter vorzulaufen, zu schnüffeln, etc. Das ist auch völlig in Ordnung, er entscheidet, was er im jeweiligen Moment als Belohnung empfindet.
Signale festigen
Immer wieder festigen wir unsere wichtigsten Signale: den Rückruf, das Warten, Suchen, Fuß-Gehen und das An- und Ableinen. Wie gesagt läuft Dante meistens frei, aber um ihn jederzeit anleinen zu können, ohne dass bei ihm sofort die Alarmglocken läuten, weil uns ein anderer Hund entgegen kommt, machen wir das öfter mal zwischendurch und ohne Grund für ein paar Meter. So ist das An- und Ableinen für ihn völlig neutral und nicht mit Aufregung verbunden. Wenn er sehr aufdreht, weil es so viel zu riechen und zu sehen gibt, oder wir gerade einen Hundekumpel getroffen haben und es eine wilde Spieleinheit gab, leinen wir Dante ebenfalls manchmal an, um ihn zu erden. Nach ein paar Minuten ist er dann wieder sehr viel ruhiger und darf wieder tun und lassen, was er möchte.

Es gibt auch Situationen, in denen er einen enormen Drang zu rennen verspürt, meistens beim Anblick eines riesigen Stoppelfeldes. Wenn Ort und Situation das dann zulassen, rennen wir einfach ein Stück mit ihm, toben und spielen wild, üben Rückruf und Warten unter hoher Anspannung und wenn der Druck raus ist, geht es ebenfalls entspannt weiter. Auch hier gilt, dass wir das Spiel initiieren und beenden und inzwischen kann Dante tatsächlich innerhalb von Sekunden wieder runterkommen.
Suchspiele

Eine weitere Möglichkeit der sinnvollen und ruhigen Auslastung, von der wir sehr oft Gebrauch machen, sind Suchspiele, insbesondere der Leckerlibaum. Wir suchen uns dazu einen Baum mit rauer Rinde und bestücken ihn rundum mit Leckerlis. Dante muss ruhig warten bis wir fertig sind und darf dann auf das Signal „Such“ alle Leckerlis finden, ein bisschen Gymnastik machen und seine Nase einsetzen. Das ist wirklich eine tolle Möglichkeit, dauert mehrere Minuten, macht allen viel Spaß und ist nahezu überall durchführbar. Man kann natürlich auch einfach Leckerlis im Gras oder Laub suchen lassen, welche gezielt verstecken oder einen Geruchsträger suchen lassen, für den es dann ein ganz besonders tolles Leckerli gibt – in unserem Fall darf Dante ein Säckchen mit einer Zimtstange suchen. Der Geruch sticht überall hervor, es ist leicht zu transportieren und ebenso leicht zu trainieren. Dante muss das Säckchen immer nur anzeigen, weil er nicht gerne apportiert, aber man kann es je nach Hund natürlich auch zurückbringen lassen. 😉
Ruheinseln
Die letzte Möglichkeit, die ich hier vorstellen möchte, um ein bisschen Entspannung in die täglichen Spaziergänge einzubauen, sind so genannte Ruheinseln. Das sind Orte, die man sich sucht, an denen im besten Fall nichts los ist und an denen der Hund nach Herzenslust schnüffeln, laufen und entspannen kann. Meine Lieblings-Ruheinsel ist eine Holzbank auf einer großen Kreuzung mitten im Feld. Man hat in alle Richtungen einen guten Überblick, sieht andere Hunde, Menschen, etc. schon auf große Entfernungen und kann den Hund deshalb umso sorgloser tun lassen, was er möchte. Außerdem ist es auch für mich ein richtig schöner Ort und jedes Mal wenn unser Spaziergang uns an dieser Kreuzung vorbeiführt, bleiben wir ein Weilchen und machen einfach mal nichts. Dante hat das Prinzip sehr schnell verstanden und genießt es inzwischen sehr. Vor ein paar Monaten hatte er noch keinen Sinn dafür und hat uns immer ganz vorwurfsvoll angesehen: „Warum stehen wir hier herum? Ich will weiter, keine Zeit!“ 🙂 Anfangs sind wir deshalb immer nur kurz geblieben, aber da wir inzwischen auch an anderen Orten gerne und oft trödeln, ist das Konzept bekannt und bewährt.

Man muss nicht immer hetzen
An der Länge dieses Beitrags kann man gut erkennen, wie wichtig das Entspannungstraining für uns ist und wie komplex es ist. Diese Art des Umgangs mit Dante und der konsequente Fokus auf Ruhe und Routine sind die Komponenten, die unserem sehr energiegeladenen Hund dazu verholfen haben, seine Mitte zu finden und zu einem ruhigen Begleiter zu werden. Wer Dante kennt weiß, dass noch ein sehr weiter Weg vor uns liegt und dass an Ruhe in manchen Situationen überhaupt nicht zu denken ist. 😀 Aber wir arbeiten dran und er wird immer besser, wir haben eine Menge Spaß und den hat Dante auch, ganz ohne wie wild hinter einem Ball herzujagen, einen Marathon zu laufen oder täglich zum Hundesport zu gehen.
Das Wichtigste, das ich im Umgang mit Hunden bisher lernen durfte ist, dass es viel schwieriger, aber auch viel wichtiger ist, einem Hund Entspannung beizubringen als ihn auszulasten.
